Leere Seiten und die Lottofee

»Stark, was der/die da geschrieben hat. Das könnte ich nie.«

So oder so ähnlich sind die Gedanken vieler nach dem Lesen eines guten/spannenden/ausflippomatischen Buches.
Besonders Autoren neigen dann ehrfurchtsvoll das Haupt und stellen sich mit hängenden Schultern in eine Ecke.
Aber eigentlich hatte der Schriftsteller dieses Buches nichts anderes zur Verfügung als alle anderen Autoren auch: eine weiße Seite.

Ich finde es immer wieder faszinierend, dass alle Bücher – wie gut und wie schlecht sie auch sind – mit einer leeren Seite begonnen haben. Gefüllt hat sie lediglich die Phantasie des Schriftstellers.

Nehmen wir beispielsweise das Buch »DinoPark« von Michael Crichton. (Ja, das Buch heißt in der deutschen Übersetzung wirklich so – englischer Originaltitel Jurassic Park).
Das Faszinierende ist: Jeder von uns hätte das Buch schreiben können.
Crichton hatte nichts anderes zur Verfügung als jeder andere Schriftsteller in der Welt auch: eine weiße Seite Papier und die Phantasie, diese zu füllen.

Natürlich gab es – gerade bei einem Thriller – auch viel Recherchearbeit und Unterredungen mit Experten. Dennoch. Beim Schreiben selbst war Crichton vor seiner weißen Seite gesessen und hat sie gefüllt.

Spannend wäre jedoch die Frage, wie es anders gelaufen wäre.
Was, wenn Crichton diesen Roman nie geschrieben hätte. Und was, wenn ich zufällig die Idee zu dieser Geschichte gehabt hätte.
Wie würde das Buch dann aussehen?
Sicherlich anders. Denn jeder Autor bringt ganz unbewusst seine eigenen Erfahrungen und Erlebnisse mit in die Geschichte.

Wäre das Buch dann auch ein Erfolg geworden? Wahrscheinlich kein so großer Weltbestseller.

Doch woran liegt das?
Einige werden sagen: Ob das Buch ankommt oder nicht, ob es einem aus den Händen gerissen wird oder auf den Regalen einstaubt, kommt auf den Geschmack der Leute an. Den muss man treffen.

Das mag sicher stimmen. Doch es hat auch mit Glück zu tun.
Glück, die richtigen Leute zu kennen. Glück, einen Nerv bei den Lesern zu treffen, den man zuvor nicht abschätzen kann.

Aber ist ein Bestseller landen wirklich vergleichbar mit dem gut bekannten »Sechser im Lotto«?

Ich denke: Nein!

Bei den sogenannten Bestsellern spielen die Verlage ordentlich mit.
Viele Bücher hatten schon in den Staaten Erfolg, bis sie zu uns importiert werden.
Auf den Büchern von Stephen King beispielsweise steht schon auf der deutschen Erstauflage »Der neue Bestseller des Meisters« drauf. Noch bevor ein einziges Buch über eine deutsche Ladentheke gewandert ist.
Dazu gibt es Bücherstapel in den Läden und spezielle Promoaktionen (Plakat, Internetwerbung) der Verlage.
Alles legitim. Doch natürlich wird der Bestseller (also das Buch, das sich gut verkauft) zu etwas »Machbaren«. Es wird entzaubert, denn jeder mit genug Geld (!) kann sich einen Bestseller erstellen.
Einfach mal selbst 25.000 Exemplare kaufen, um es auf die Bestseller Liste zu schaffen. Den Rest machen dann die Massen.

Wie heißt es so schön? Die erste Million ist am schwersten. Das gilt auch für die Buchbranche.

Doch am Ende begann jeder Bestseller mit einer weißen Seite Papier.
Wer weiß, vielleicht liegt diese Seite bereits auf eurem Schreibtisch.

Immer genug Muße zum Lesen
und lasst die Glücksfee heute Überstunden machen!

Euer Dominik Schmeller

Papierloses Autorenzimmer

Wo sind sie hin, die Zeiten, in denen Schreiberlinge ihre Leseprobe noch brav per Postkutsche an den Verleger lieferten und das angeforderte Manuskript dann ebenfalls in einem Kuvert zustellen ließen?

Zugegeben, ich habe diese Zeiten nicht mehr aktiv miterlebt.

Manuskript bedeutet nichts anderes als »mit der Hand geschrieben«.
An dieser Tatsache vergehen sich wohl 99% aller Autoren, wenn sie ihr Manuskript an den Verlag schicken. Das restliche Prozent macht seine Chancen auf Erfolg dadurch zunichte, dass Verlage schon auf ihrer Homepage propagieren, »handschriftliche Manuskripte nicht anzunehmen«.

Früher war alles einfach.
Wer weiß denn heutzutage, ob ein Verlag sein Anschreiben, Exposé und Leseprobe gedruckt oder elektronisch will. Da hilft nur ein Blick auf die Homepage.
Doch auch da hat jeder seine Vorlieben.

Ich habe beispielsweise meine Unterlagen postalisch an eine Agentur gesandt. Als Antwort kam, dass Gefallen gefunden wurde und ich doch bitte den Rest elektronisch einsenden solle. Das hat mich doch etwas gewundert. Wenn man schon darauf bestand, die Leseprobe nur zu konsumieren, wenn sie ausgedruckt war, warum wollte man dann das viel längere Manuskript als Datei haben?
Eine Kollegin half mir auf den Sprung: Die drucken das Manuskript selbst aus. Das können sie natürlich nicht für alle Einsendungen machen. Das machen sie nur, wenn sie sich für ein Angebot wirklich interessieren.

Klingt alles logisch, nicht?
Das ergab wirklich einen Sinn. Doch der Weisheit letzter Schluss schien noch lange nicht erreicht.

Denn auch den umgekehrten Fall habe ich erlebt.
Leseprobe elektronisch hingeschickt. Nach einiger Zeit kam die E-Mail (!) mit der Anforderung des Restes. Diesen aber doch bitte ausgedruckt.

Mein Fazit: Lasst euch nicht verwirren! Am Ende geht‘s darum, ob eine Geschichte fesseln kann. Egal in welcher (Daseins-)Form.

Immer genug Muße zum Lesen
und zur Not kann man mit seinen gedruckten Manuskripten immer noch prima eine dicke Fliege erschlagen.

Euer Dominik Schmeller